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Verfasst von Florian Frankl

26.07.2021

Kategorie: Best Practice

Wie finden produzierende Unternehmungen gute Kennzahlen?

Ein Gastbeitrag von Florian Frankl, Q-Enthusiast

 

Ich muss Sie leider gleich zu Beginn dieses Artikels enttäuschen. Die Überschrift stellt die falsche Frage! Dennoch ist es eine Frage, die viele Führungskräfte und Unternehmer*innen beschäftigt – deshalb haben Sie vermutlich bis zum Ende dieses Satzes gelesen.

Genug Spannungsbogen. In diesem Artikel erfahren Sie, wie Sie Kennzahlen dafür nutzen, um die folgenden wesentlichen Fragen zu beantworten:

  1. Muss/kann ich aktiv werden?
  2. Wenn ja, was muss ich tun, wo und wie viel davon?

Nur darum geht es. Und diese beiden Fragen gelten auch, wenn Sie selbst die Zahlen gar nicht nutzen, sondern an jemanden berichten. Beispielsweise die oberste Leitung, Kunden, Banken oder Behörden.

Orientierung mittels Engpasskonzentration

In meinen Ausführungen stütze ich mich teilweise auf das Konzept der „Engpasskonzentrierten Strategie“, die von Wolfgang Mewes begründet wurde. Im Kern geht es darum, dass es in Unternehmen einen vorrangigen Engpass gibt, der das Wachstum verhindert. Man spricht von der „im Verhältnis knappsten Ressource“. Und diesen gilt es, vorrangig zu beseitigen.

Zum besseren Verständnis vereinfache ich die unternehmerischen Vorgänge – auch, weil die tatsächlichen Begebenheiten in jedem Betrieb unterschiedlich sind.

Da Gründe und Massnahmen für Engpässe meist erst durch Kennzahlen zutage treten, fangen wir in der unternehmerischen Bedürfnispyramide ganz oben an: Beim Betriebsergebnis. Gründe, warum dieses nicht den Erwartungen entspricht, sind fast immer zu hohe Ausgaben (Kosten) oder ein zu geringer Umsatz. Für beides gibt es in den meisten Unternehmungen ausreichend Zahlenwerk.

Zu wenig Umsatz kommt entweder durch zu geringe Verkäufe oder zu geringe Produktion zustande. Verkaufsstatistiken gibt es ebenfalls zuhauf, weshalb wir uns im weiteren Verlauf auf das zweite Standbein „zu wenig produziert“ konzentrieren.

Die offensichtlichsten Faktoren, die zu „zu wenig Produkt“ führen, sind:

  • Zu wenig Rohstoff / zu wenige Teile
  • Zu wenige Maschinen (-Verfügbarkeit)
  • Zu wenig Personal
  • Zu wenige Gutteile

Jeder der in der Übersicht dargestellten Aspekte lässt sich leicht messen oder zählen. Was Sie benötigen, sind Sollwerte. Wie sieht Ihre zahlenmässige Erwartung / Anforderung aus, um „ausreichend produziert“ zu haben?

Sie haben jetzt bereits die Basis dafür geschaffen, die Situation zu beobachten. Da Sie die zahlenmässige Erwartung formuliert haben, sehen Sie nun, ob Sie handeln müssen.

Um zu klären, wo und wie Sie handeln müssen, können Sie zunächst mit Ihren Führungskräften und Mitarbeitenden sprechen. Meist wird schnell klar, worin die Engpässe bestehen. Falls nicht, stellen Sie eine Hypothese auf, die Sie mithilfe von Zahlen bestätigen oder widerlegen können.

Das folgende Schaubild zeigt für jede vorher beschriebene Situation zwei Beispiele, woran ein Engpass im jeweiligen Bereich liegen könnte und welche Prozesse gegebenenfalls Abhilfe schaffen können:

Diese Aufzählung ist sicherlich nicht vollzählig. Sie bietet Ihnen aber erste Anhaltspunkte.

Wie Sie nun zu den Kennzahlen kommen

Vorhin habe ich von Hypothesen gesprochen. Jede vermutete Begründung ist eine Hypothese, solange Sie sie nicht mit Zahlen bestätigen oder widerlegen können.

Je Kategorie zeige ich Ihnen nun ein Beispiel für eine Kennzahl auf, mit der Sie die jeweilige Situation beobachten können:

  • Schlechte Zukauf-Qualität
    • Hypothese: Lieferanten performen schlecht
    • Prozess: Lieferantenmanagement
    • Kennzahl: Anzahl Lieferantenreklamationen (Mängelrügen)
  • Zu viele Maschinen-Stillstände
    • Hypothese: Zu viele geplante Stillstände
    • Prozess: Produktionsplanung
    • Kennzahl: Prozentualer Anteil geplanter Stillstände
  • Zu hoher Krankenstand
    • Hypothese: Arbeit macht die Mitarbeitenden krank
    • Prozess: Arbeitsschutzmanagement
    • Kennzahl: Krankheitstage pro Mitarbeiter pro Jahr
  • Instabile Prozesse
    • Hypothese: Prozesse laufen nicht stabil
    • Prozess: Prozessmanagement (oder KVP)
    • Kennzahl: Prozessstabilität (z.B. Cpk)

Sie werden schnell feststellen, dass diese Kennzahlen für sich genommen wenig aussagekräftig sind – sie helfen Ihnen aber sofort dabei, weiterführende Fragen zu stellen und sich so immer weiter zum Kern des Engpasses voranzutasten.

Wenn Sie so bei jedem erkannten Engpass Schritt für Schritt vorangehen, dann tilgen Sie mit der Zeit alle blinden Flecke, die Sie eventuell momentan noch in Ihrer Organisation vermuten.

 

Die Wirksamkeitsprüfung

Mittels Kennzahlen sehen Sie nun, wie sich die Performance von Prozessen verändert. Das erlaubt Ihnen die Definition von Massnahmen. Vor der Umsetzung sollten Sie festlegen, an welcher Stelle und in welchem Masse Sie zahlenmässige Auswirkungen erwarten und wo Wechselwirkungen schlummern könnten (die Sie ebenfalls parallel messen wollen!).

Dadurch stellen Sie sicher, dass Sie so schnell wie möglich erkennen, ob Massnahmen wirksam sind oder ob Sie nachschärfen oder eine andere Massnahme umsetzen müssen.

 

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

Als Geschäftsführer*in oder Führungskraft ist es Ihre oberste Aufgabe, Ressourcen in Ergebnisse umzuwandeln [Prof. Dr. Fredmund Malik; Buch „Führen leisten leben“]. Die Kontrolle ist dabei nicht so zu verstehen, dass Sie Arbeitsschritte der Mitarbeitenden kontrollieren,

sondern die Ergebnisse der Prozesse.

Sollte bei Ihrer Kennzahlenentwicklung auffallen, dass diese aktuell keinen Engpass aufzeigen, werfen Sie sie bitte nicht wieder über den Haufen. Nutzen Sie die Zahlen als Monitoring-Parameter für folgende Zwecke:

  • Beobachtung von ungeplanten Auswirkungen oder Veränderungen
  • Beobachtung von geplanten Aus- bzw. Wechselwirkungen

Auch hier ein praktisches Beispiel: Sie haben festgestellt, dass der Krankenstand messbar zu hoch ist. Sie vermuten eine Überarbeitung und geben Ihren Mitarbeitenden pauschal 10 Urlaubstage mehr pro Jahr.

Diese Massnahme reduziert zwar Ihren Krankenstand, löst aber Ihren Engpass der fehlenden Verfügbarkeit personeller Ressourcen nicht.

 

Und was ist mit der ISO 9001?

Wenn Sie an den unternehmerisch wichtigen Prozesszahlen arbeiten, die über Budgets, Umsätze und Deckungsbeiträge hinausgehen, kommen Sie fast nicht daran vorbei, die Anforderungen der ISO 9001, (Kapitel 6.2) zu erfüllen.

Denn der Management-Norm geht es nur darum, Unternehmen mit Hilfe guter Qualität erfolgreicher zu machen – und dadurch anderen Organisationen oder Personen Leistungen guter Qualität verkaufen zu können.

 

Fazit: Kennzahlen sind Erkenntnis-Zahlen

Welche Erkenntnisse ziehen Sie aus den Zahlen, die Sie aktuell erheben? Helfen diese Ihnen, Ihren Betrieb zu steuern oder zu verbessern? Falls nicht, hinterfragen Sie mit ihrem neu gewonnenen Wissen gerne Ihre momentane Praxis.

Fakt ist, wenn Sie keine Zahlen haben, die Ihnen helfen, noch bessere Entscheidungen zu treffen, verzichtet Ihr Unternehmen auf Performance, Marge, Image, Qualität und alles, was das Unternehmerherz höherschlagen lässt.

Wenn Sie sich auf die Reise der Kennzahlenentwicklung begeben, werden Sie feststellen, dass dieser Artikel hilfreich ist, aber erst ein wenig an der Oberfläche kratzt.

Tauchen Sie tief ein! Ich wünsche Ihnen gute Erkenntnisse und allen erdenklichen Erfolg.